Progesteron: Schlüsselhormon der Wechseljahre

Progesteron ist als Schwangerschaftshormon bekannt, spielt aber auch in den Wechseljahren eine bedeutende Rolle. Wie Progesteron wirkt, welche Folgen ein Mangel hat und wann eine Einnahme sinnvoll ist, erfährst du hier.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Progesteron?

Progesteron ist ein weibliches Geschlechtshormon aus der Gruppe der Gestagene, die auch als Gelbkörperhormone bezeichnet werden. Nach dem Eisprung bildet der sogenannte Gelbkörper in den Eierstöcken Progesteron, um die Gebärmutterschleimhaut auf die Einnistung einer befruchteten Eizelle vorzubereiten. Der Gelbkörper entsteht dabei aus dem Eibläschen, das die Eizelle freigegeben hat.

Während einer Schwangerschaft übernimmt später die Plazenta die Progesteronproduktion und erhöht die Hormonmenge deutlich. Auch Männer produzieren Progesteron – vor allem in den Hoden – und bei beiden Geschlechtern entstehen geringe Mengen zusätzlich in der Nebennierenrinde.

Welche Wirkung hat Progesteron im weiblichen Körper?

Progesteron erfüllt vielfältige Aufgaben im Körper – es beeinflusst den Zyklus, eine mögliche Schwangerschaft sowie körperliches und psychisches Wohlbefinden.

  • Schwangerschaft: Progesteron bereitet die Gebärmutter auf eine mögliche Einnistung vor, indem es den Aufbau der Schleimhaut unterstützt. Kommt es zu einer Schwangerschaft, verhindert das Hormon die Reifung neuer Eizellen, schützt vor vorzeitigen Wehen und fördert die Entwicklung der Brustdrüsen zur Milchbildung.
  • Menstruationszyklus: Wenn keine Schwangerschaft eintritt, sinkt der Progesteronspiegel am Ende des Zyklus. In der Folge wird die Gebärmutterschleimhaut abgestoßen – die Menstruation setzt ein.
  • Psyche: Progesteron hat eine beruhigende Wirkung auf das Nervensystem. Es kann emotionale Schwankungen abmildern und zur inneren Stabilität beitragen.
  • Knochen- und Haut: Das Hormon unterstützt die Knochenstabilität, indem es knochenabbauende Prozesse verlangsamt. In der Haut trägt es zur Elastizität bei und hilft, Feuchtigkeit zu binden. [1]

Progesteron und Wechseljahre

Mit zunehmendem Alter lässt die Progesteron- und Östrogen-Produktion nach. In der Perimenopause, der Übergangsphase zur Menopause, beginnt der Progesteronspiegel zu sinken. Für viele Frauen wird der Zyklus dadurch unregelmäßiger. In der Postmenopause, der Phase nach der letzten Regelblutung, produzieren die Eierstöcke kaum noch Progesteron. Bleibt der Eisprung aus, bildet sich kein Gelbkörper und damit deutlich weniger Progesteron.

Östrogen und Progesteron in der Perimenopause

In der Perimenopause verändert sich das hormonelle Gleichgewicht – oft sinkt der Progesteronspiegel früher oder deutlicher als der Östrogenspiegel. Das liegt vor allem daran, dass in dieser Phase vermehrt Zyklen ohne Eisprung (anovulatorische Zyklen) auftreten oder Follikel bestehen bleiben, ohne zu ovulieren. Dadurch wird kein Progesteron mehr gebildet, obwohl noch Östrogen vorhanden ist. Dieses Ungleichgewicht kann zu einer relativen Östrogendominanz führen, die typische Beschwerden wie Brustspannen, Wassereinlagerungen oder Stimmungsschwankungen begünstigt.

Symptome bei Progesteronmangel

Ein Progesteronmangel kann in den Wechseljahren oder bei Zyklusstörungen auftreten – vor allem dann, wenn kein Eisprung mehr stattfindet. Viele Beschwerden entstehen dabei nicht allein durch das fehlende Progesteron, sondern durch das Ungleichgewicht zwischen Östrogen und Progesteron, also eine sogenannte relative Östrogendominanz.

  • Zyklusstörungen und Blutungen: Der Zyklus wird unregelmäßig, Blutungen können ausbleiben, stärker oder länger werden.
  • Stimmungsschwankungen: Viele Frauen berichten über Reizbarkeit, Unruhe oder depressive Verstimmungen – besonders in der zweiten Zyklushälfte.
  • Schlafprobleme: Progesteron wirkt beruhigend. Ein Mangel kann zu Einschlaf- oder Durchschlafstörungen führen.
  • Kopfschmerzen: Hormonelle Schwankungen, besonders im Verhältnis von Östrogen zu Progesteron, können Kopfschmerzen oder Migräne begünstigen.
  • Gewichtszunahme: Eine veränderte Hormonlage kann zu Wassereinlagerungen und einer leichten Gewichtszunahme führen, vor allem im Bauchbereich.
  • Hitzewallungen und trockene Haut: Diese Symptome werden meist mit sinkendem Östrogenspiegel in Verbindung gebracht, können aber auch bei Progesteron-Ungleichgewichten auftreten.
  • Libidoverlust: Auch das sexuelle Verlangen kann unter dem hormonellen Ungleichgewicht leiden.
  • Fruchtbarkeit: Ein dauerhaft niedriger Progesteronspiegel kann die Einnistung der Eizelle erschweren. [2, 3, 4]

Hormonbehandlung mit Progesteron

Eine Hormonersatztherapie (HRT) kann bei ausgeprägten Wechseljahresbeschwerden wirksam helfen – insbesondere bei Hitzewallungen, Schlafstörungen und Stimmungsschwankungen. Wird dabei nur Östrogen verabreicht, kann es die Schleimhaut der Gebärmutter zum übermäßigen Wachstum anregen. Das erhöht langfristig das Risiko für Endometriumkarzinome (Gebärmutterschleimhautkrebs), insbesondere bei einer Einnahme über mehrere Jahre hinweg. Deshalb wird Östrogen bei Frauen mit intakter Gebärmutter in der Regel mit einem Gestagen wie Progesteron kombiniert, um die Schleimhaut regelmäßig abbluten zu lassen und so eine übermäßige Vermehrung zu verhindern.

Bei Frauen, deren Gebärmutter entfernt wurde, ist dieses Risiko nicht gegeben. In diesen Fällen kann eine reine Östrogentherapie ausreichen. Dennoch kann auch bei dieser Gruppe eine Kombination mit Progesteron sinnvoll sein, zum Beispiel wenn dadurch bestimmte Beschwerden besser kontrolliert werden. [8, 9]

Wichtig

Die Entscheidung für eine Hormontherapie sollte immer individuell und gemeinsam mit dem ärztlichen Team getroffen werden – unter Berücksichtigung von Beschwerden, Risiken, persönlichen Vorerkrankungen und Behandlungszielen.

Alleinige Progesterontherapie

In der Regel wird Patientinnen eine kombinierte Östrogen-Gestagentherapie empfohlen. In seltenen Fällen – z. B. bei Frauen ohne klimakterische Beschwerden, aber mit Zyklusstörungen – kann eine alleinige Progesterontherapie erwogen werden. Grundsätzlich kann man zwischen natürlichem, mikronisiertem Progesteron und synthetischem Progesteron unterscheiden.

Zur Hormontherapie werden zwei Arten von Progesteron eingesetzt:

  • Mikronisiertes Progesteron entspricht in seiner Struktur dem körpereigenen Hormon (bioidentisch) und kann sowohl oral als auch vaginal eingenommen werden. Es wirkt fördert den Schlaf und hat meist ein günstigeres Risikoprofil für Herz-Kreislauf und Brust.
  • Synthetische Gestagene sind z. B. Medroxyprogesteron oder Norethisteron, Desogestrel oder Drospirenon. Diese können bei Unverträglichkeit der natürlichen Gestagene oder auch zur Verhütung eingesetzt werden.

Anwendung

In der Perimenopause wird mikronisiertes Progesteron häufig zyklisch ab dem 14. Zyklustag eingenommen, um den natürlichen Hormonverlauf nachzuahmen, Zyklusstörungen zu vermeiden und Schlafprobleme zu lindern.

Bei sehr starken hormonellen Schwankungen, wie sie typisch in der späten Perimenopause sind, kann auch die tägliche Gabe eines Gestagens wie  Desogestrel helfen, den Zyklus zu stabilisieren und Symptome abzufangen. Ggf. Muss dann noch etwas transdermales Östrogen mit dazugegeben werden. [6]

Nebenwirkungen

Progesteron und andere Gestagene können Nebenwirkungen haben. Dazu gehören Brustspannen, Kopfschmerzen, Stimmungsschwankungen, Gewichtszunahme und Übelkeit.
Bei Nebenwirkungen kann eine ärztliche Beratung helfen, um ein besser verträgliches Gestagen zu finden. Die Nebenwirkungsprofile unterscheiden sich je nach Präparat. Progesteron in Tablettenform wirkt beruhigend und sollte abends eingenommen werden, da es müde machen kann. [4]

Progesteron, Gestagene und Krebsrisiko

Bei einer langfristigen Hormonersatztherapie mit Kombination aus Östrogen und Gestagen kann das Brustkrebsrisiko leicht ansteigen. Die Risikoerhöhung ist jedoch gering und hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter Art des Gestagens, Therapiedauer und individuelle Risikofaktoren.

Bei einer Therapie von bis zu fünf Jahren gilt das Gesamtrisiko als sehr niedrig und wird durch die positiven Effekte auf Lebensqualität, Knochen- und Herz-Kreislauf-Gesundheit häufig aufgewogen. Wichtig ist eine individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung im ärztlichen Gespräch. [5, 8, 9]

Quellen

[1] Taraborrelli S. (2015). Physiology, production and action of progesterone. Acta obstetricia et gynecologica Scandinavica, 94 Suppl 161, 8–16. https://doi.org/10.1111/aogs.12771

[2] Ziomkiewicz, A., Pawlowski, B., Ellison, P.T., Lipson, S.F., Thune, I. and Jasienska, G. (2012). Higher luteal progesterone is associated with low levels of premenstrual aggressive behavior and fatigue. Biological Psychology, 91(3), pp.376–382. doi: https://doi.org/10.1016/j.biopsycho.2012.08.001

[3] Regidor, P.-A. . (2014). Progesterone in Peri- and Postmenopause: A Review. Geburtshilfe und Frauenheilkunde, [online] 74(11), pp.995–1002. doi:https://doi.org/10.1055/s-0034-1383297

[4] Santoro, N., Roeca, C., Peters, B.A. and Neal-Perry, G. (2020). The Menopause Transition: Signs, Symptoms, and Management Options. The Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism, [online] 106(1), pp.1–15. doi: https://doi.org/10.1210/clinem/dgaa764

[5] Holtorf, K. (2009). The bioidentical hormone debate: are bioidentical hormones (estradiol, estriol, and progesterone) safer or more efficacious than commonly used synthetic versions in hormone replacement therapy? Postgraduate medicine, [online] 121(1), pp.73–85. doi: https://doi.org/10.3810/pgm.2009.01.1949

[6] www.menopausematters.co.uk. (n.d.). Progestogens in Menopause – What is HRT : Menopause Matters. [online] Available at: https://www.menopausematters.co.uk/progestogens.php

[7] Frauenaerzte-im-netz.de. (2015). Hormonersatztherapie (HRT)» Wechseljahre / Klimakterium» Körper & Sexualität» Frauenärzte im Netz – Ihr Portal für Frauengesundheit und Frauenheilkunde». [online] Available at: https://www.frauenaerzte-im-netz.de/koerper-sexualitaet/wechseljahre-klimakterium/hormonersatztherapie-hrt/

[8] BRITISH MENOPAUSE SOCIETY Tool for clinicians Information for GPs and other health professionals Menopause: Guidance for Practice Top Ten Tips 1. (n.d.). Available at: https://thebms.org.uk/wp-content/uploads/2022/12/16-BMS-TfC-Menopause-Guidance-Top-Ten-Tips-01-original-NOV2022-A.pdf

[9] BRITISH MENOPAUSE SOCIETY Tool for clinicians Information for GPs and other health professionals Progestogens and endometrial protection BRITISH MENOPAUSE SOCIETY Tool for clinicians Information for GPs and other health professionals 2 of 9 Progestogens and endometrial protection. (n.d.). Available at: https://thebms.org.uk/wp-content/uploads/2023/04/14-BMS-TfC-Progestogens-and-endometrial-protection-APR2023-A.pdf

Mitwirkende Autor:innen

  • Anna ist Diätassistentin/Ernährungstherapeutin (B.Sc. Diätetik). Seit 2021 ist sie Teil von Sidekick – zunächst als direkte Ansprechpartnerin zur Unterstützung von Menschen mit Adipositas, heute als Verstärkung des Content-Teams für die Programme zanadio und MENO!. Als Mitglied im Verband der Diätassistenten – Deutscher Bundesverband e.V. (VDD) engagiert sie sich für eine starke ernährungstherapeutische Versorgung. In ihrer Freizeit trifft man sie oft sportlich unterwegs oder in der Küche – denn Kochen zählt zu ihren großen Leidenschaften.

  • Das MENO! Redaktionsteam setzt sich aus erfahrenen und qualifizierten Fachkräften unterschiedlicher Disziplinen zusammen. Dazu gehören Expert:innen aus den Bereichen Medizin, Ernährungswissenschaft/Ökotrophologie, Sport- und Gesundheitswissenschaften sowie der klinischen Psychologie. Unser Ziel ist es, allen Leser:innen verlässliche, gut verständliche und wissenschaftlich fundierte Gesundheitsinformationen zu bieten. Jeder Artikel wird sorgfältig auf Aktualität, Fachlichkeit und eine wertfreie Darstellung geprüft, um zu einer informierten und offenen Auseinandersetzung mit dem Thema beizutragen.

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