Migräne erklärt: Ursachen und Symptome
Migräne ist eine komplexe, neurologische Erkrankung, die oft fälschlicherweise auf Kopfschmerzen reduziert wird. Migräne unterscheidet sich grundlegend von gewöhnlichen Kopfschmerzen. Während Spannungskopfschmerzen meist beidseitig auftreten und oft als drückend oder ziehend beschrieben werden, sind Migräneattacken typischerweise halbseitig und durch pulsierende, starke Schmerzen gekennzeichnet.
Ein weiteres Merkmal ist, dass Migräne oft anfallsartig auftritt und über Stunden bis Tage andauern kann, während Spannungskopfschmerzen meist kürzer sind und weniger stark die Lebensqualität beeinträchtigen. Zudem sind Begleiterscheinungen typisch, darunter:
- Empfindlichkeiten: Licht-, Lärm, oder/und Geruchsempfindlichkeit
- Neurologische Beschwerden: Sehstörungen, Sprachprobleme, Taubheitsgefühle, Missempfindungen, Nackenschmerzen; bei einigen Betroffenen tritt zusätzlich eine Aura auf [3, 4]
- Stimmungs- und Aktivitätsschwankungen: Reizbarkeit, depressive Verstimmung, Über- oder Unteraktivität
- Magen-Darm-Beschwerden: Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Durchfall oder Verstopfung, Appetitlosigkeit oder Heißhungerattacken, vermehrter Durst, vermehrter Harndrang [3]
- Kreislaufbeschwerden: Schwindel, Müdigkeit, Frieren, Schwitzen, Konzentrationsprobleme [3, 5]
Migräne wird oft von Stigmatisierung begleitet. Betroffene berichten, dass ihre Beschwerden häufig als Vorwand interpretiert werden, was die Belastung zusätzlich verstärkt [6].
Häufigkeit und Betroffene
Migräne gehört zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen weltweit. Etwa 10–15 % der Weltbevölkerung sind betroffen, in Deutschland rund 9 Millionen Menschen. Frauen sind nach der Pubertät dreimal so häufig betroffen, was unter anderem an hormonellen Faktoren wie Schwankungen im Östrogenspiegel liegt. Nach den Wechseljahren leiden „nur“ noch dopple so viele Frauen an Migräne im Vergleich zu den Männern. Auch genetische Faktoren können eine Rolle spielen, da Migräne gehäuft familiär auftreten kann [7].
Migräneformen
Es gibt verschiedene Migränearten, die sich in ihren Symptomen und Auslösern unterscheiden:
- Migräne ohne Aura: Häufigste Form, ohne neurologische Vorzeichen, aber mit starken halbseitigen Kopfschmerzen [8]
- Migräne mit Aura: Charakterisiert durch neurologische Symptome wie Sehstörungen, Taubheitsgefühle oder Sprachprobleme, die der Kopfschmerzphase vorausgehen [8]
- Chronische Migräne: Tritt an mindestens 15 Tagen pro Monat auf [9]
- Menstruelle Migräne: Hormonell bedingte Attacken, die zwei Tage vor oder während der Menstruation auftreten [4].
- Menstruationsassoziierte Migräne: Attacken während anderer Zyklusphasen, z. B. um den Eisprung [10].
- Vestibuläre Migräne: Hauptsymptom ist Schwindel, der auch ohne Kopfschmerzen auftreten kann [11]
Was ist eine Aura?
Eine Aura tritt bei 15-30 % der Migränebetroffenen auf und ist eine Art Vorwarnung, die manche Menschen vor einer Migräne erleben. Sie kann Sinneswahrnehmungen wie flimmernde Lichter, verschwommenes Sehen oder Taubheitsgefühle umfassen. Oft dauert sie nur wenige Minuten bis maximal eine Stunde. Auren sind ein Zeichen dafür, dass das Gehirn vorübergehend anders arbeitet.
Bei einer Aura gibt es vorübergehende Veränderungen in der Aktivität der Nervenzellen im Gehirn. Bestimmte Bereiche des Gehirns können dabei überreizt oder weniger aktiv sein, was die typischen Symptome wie visuelle Veränderungen oder Taubheitsgefühle auslöst. Manche Menschen erleben auch Sprachprobleme oder Schwierigkeiten beim Denken. [12]
Zusammenhang: Migräne und Hormone
Der Östrogenspiegel im Körper einer Frau schwankt im Laufe des Menstruationszyklus auf natürliche Weise. In der ersten Zyklushälfte (Follikelphase) steigt der Östrogenspiegel kontinuierlich an und erreicht seinen Höchststand kurz vor dem Eisprung. Danach sinkt er leicht ab, bevor er in der zweiten Zyklushälfte (Lutealphase) erneut ansteigt und anschließend wieder absinkt, wenn keine Schwangerschaft eintritt. Der vor der Menstruation stark absinkende Östrogenspiegel wird als möglicher Auslöser von Migräne vermutet.
Wechseljahre und Migräne
In den Wechseljahren sinkt der Östrogenspiegel allmählich und unterliegt starken und unregelmäßigen Schwankungen. Zunächst kann der Östrogenspiegel zeitweise hoch bleiben oder stark ansteigen, bevor er wieder absinkt, was für viele Frauen spürbare Veränderungen mit sich bringt. Gleichzeitig sinkt der Progesteronspiegel oft früher und schneller, was zu einem Ungleichgewicht zwischen den Hormonen führen kann.
Dieses Ungleichgewicht verstärkt häufig die Migräneanfälligkeit, insbesondere in der Perimenopause. Im Verlauf der Wechseljahre nimmt der Östrogenspiegel insgesamt ab und pendelt sich nach der Menopause dauerhaft auf einem niedrigen Niveau ein. Diese hormonellen Schwankungen und der letztliche Rückgang beider Hormone können Migräneanfälle auslösen oder verstärken. Die verschiedenen Phasen der Wechseljahre umfassen: [9, 12, 13]
- Prämenopause: Diese Phase beschreibt die Zeit vor dem Beginn der Wechseljahre. Zyklus und Hormonspiegel sind stabil. Migräneattacken verlaufen wie gewohnt.
- Perimenopause: Diese Phase beginnt einige Jahre vor der Menopause und ist durch starke hormonelle Schwankungen gekennzeichnet. Der sinkende Progesteron- und instabile Östrogenspiegel fördern Migräneattacken.
- Menopause: Der Zeitpunkt der letzten Menstruation markiert die Menopause. Der Östrogenspiegel sinkt auf ein niedriges Niveau und bleibt stabil niedrig. Viele Frauen berichten in dieser Zeit von einer Verringerung der Migränehäufigkeit.
- Postmenopause: Die Phase nach der Menopause, in der sich die Hormonspiegel dauerhaft auf einem niedrigen Niveau eingependelt haben. Bei etwa 60 % der Frauen verbessern sich die Migräneattacken oder verschwinden vollständig, während sie bei den verbleibenden 40 % unverändert bleiben oder sich verschlechtern.
Therapieoptionen von Migräne in den Wechseljahren
Migräne in den Wechseljahren lässt sich mit Schmerz- und Migräne-Medikamenten sowie prophylaktischen Maßnahmen wie Ausdauersport oder Entspannungstechniken behandeln. Auch eine Hormonersatztherapie kann eine Methode sein, Migräne in den Wechseljahren zu behandeln. Eine ärztliche Beratung ist immer wichtig [14]. Zusätzlich kann das Führen eines Migräne-Tagebuchs hilfreich sein, um individuelle Auslöser und Muster der Attacken zu erkennen. Dies ermöglicht eine gezielte Anpassung des Lebensstils und der Therapie [15].
Ernährung, die auf die Stabilisierung des Blutzuckerspiegels abzielt, kann Migräneanfälle reduzieren. Regelmäßige Mahlzeiten mit komplexen Kohlenhydraten tragen dazu bei, Schwankungen des Blutzuckers zu vermeiden [16]. Auch Verfahren wie Akupunktur, die die Häufigkeit und Intensität von Migräneattacken verringern kann, oder kognitive Verhaltenstherapie, die Stress reduziert und den Umgang mit Migräne verbessert, werden als ergänzende Ansätze untersucht [17, 18].
Zudem sind Entspannungstechniken wie progressive Muskelentspannung oder Meditation hilfreich, um Stress als Migräneauslöser zu mindern. Für einige Betroffene können Nahrungsergänzungsmittel wie Magnesium oder Vitamin B2 unterstützend wirken, sollten jedoch individuell ärztlich abgestimmt werden.
Zusammengefasste Therapieoptionen:
- Medikamentöse Behandlung: Schmerz- und Migräne-Medikamente, ggf. Hormonersatztherapie [14]
- Prophylaktische Maßnahmen: Ausdauersport, Entspannungstechniken
- Migräne-Tagebuch: Erkennung und Vermeidung individueller Auslöser zur Anpassung von Therapie und Lebensstil
- Ernährung: Stabilisierung des Blutzuckerspiegels durch regelmäßige, komplexe Kohlenhydrate [16]
- Alternative Verfahren: Akupunktur, kognitive Verhaltenstherapie, Entspannungstechniken
- Nahrungsergänzung: Magnesium, Vitamin B2 (nach individueller Beratung) [17, 18]
Fazit
Hormonelle Schwankungen in den Wechseljahren beeinflussen Migräne, insbesondere in der Perimenopause. Dennoch verbessern sich die Beschwerden bei vielen Frauen nach der Menopause. Eine individuelle Therapieplanung in Absprache mit einem Arzt oder einer Ärztin ist daher wichtig, um Risiken zu minimieren und die Lebensqualität zu verbessern.
Quellen
[1] AWMF online (2020): S3-Leitlinie: Peri- und Postmenopause – Diagnostik und Interventionen. Verfügbar unter: https://register.awmf.org/assets/guidelines/015-062l_S3_HT_Peri-Postmenopause-Diagnostik-Interventionen_2021-01.pdf (letzter Aufruf: 05.10.2024).
[2] Santoro, N., Roeca, C., Peters, B.A., Neal-Perry, G. (2021): The Menopause Transition: Signs, Symptoms, and Management Options. J Clin Endocrinol Metab. 106(1):1-15. doi: 10.1210/clinem/dgaa764 https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33095879/
[3] Villar-Martinez, M.D., Goadsby, P.J. (2022): Pathophysiology and Therapy of Associated Features of Migraine. Cells. 11(17):2767. doi: 10.3390/cells11172767 https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36078174/
[4] Pescador Ruschel, M.A., De Jesus, O. (2022): Migraine Headache. StatPearls, StatPearls Publishing. https://europepmc.org/article/NBK/NBK560787
[5] Pavlović, J.M., et al. (2015): Burden of migraine related to menses: Results from the AMPP study. Journal of Headache and Pain, 16(1). doi: 10.1186/s10194-015-0503-y https://thejournalofheadacheandpain.biomedcentral.com/articles/10.1186/s10194-015-0503-y
[6] Shapiro, R.E., Nicholson, R.A., Seng, E.K., et al. (2024): Migraine-Related Stigma and Its Relationship to Disability, Interictal Burden, and Quality of Life. Neurology. 102(3): e208074. Verfügbar unter: https://www.neurology.org/doi/pdf/10.1212/WNL.0000000000208074 (letzter Aufruf: 05.10.2024).
[7] Lipton, R.B., Stovner, L., Yoon, M.-S. (2007): Migraine prevalence, disease burden, and the need for preventive therapy. Neurology 68, 343–349. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/17261680/
[8] Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (2023): Migräne und Hormone. Verfügbar unter: https://www.dmkg.de/files/dmkg.de/patienten/Download/hormone.pdf (letzter Aufruf: 05.10.2024).
[9] GBD (2017): Disease and Injury Incidence and Prevalence Collaborators. Lancet (London, England) 392, 1789–1858. https://eresearch.qmu.ac.uk/bitstream/handle/20.500.12289/13153/13153.pdf?sequence=1&isAllowed=y
[10] MacGregor, E.A. (2018): Migraine, menopause and hormone replacement therapy. Post Reproductive Health, 24(1), 11-18. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/28994639/
[11] Aurora, S.K., Wilkinson, F. (2007): The Brain is Hyperexcitable in Migraine. Cephalalgia, 27(12): 1442-1453. doi: 10.1111/j.1468-2982.2007.01502.x https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/18034688/
[12] Goadsby, P.J., et al. (2017): Pathophysiology of Migraine. Annals of Neurology, 81(1): 18-31. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/28179394/
[13] Martin, V.T., Pavlovic, J., Fanning, K.M., Buse, D.C., Reed, M.L., & Lipton, R.B. (2016): Perimenopause and menopause are associated with high frequency headache in women with migraine. Headache: The Journal of Head and Face Pain, 56(2), 292-305. doi: 10.1111/head.12748 https://einstein.elsevierpure.com/en/publications/perimenopause-and-menopause-are-associated-with-high-frequency-he
[14] Wang, S.J., Fuh, J.L., Lu, S.R., Juang, K.D., & Wang, P.H. (2003): Migraine prevalence during menopausal transition. Headache, 43(5), 470-478. doi: 10.1046/j.1526-4610.2003.03092.x https://headachejournal.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1046/j.1526-4610.2003.03092.x
[15] StatPearls Publishing (2022): Migräne-Therapieoptionen. Verfügbar unter: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK560891/
[16] Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft e.V. (2023): Therapieempfehlungen für Migräne. https://www.dmkg.de/therapie-empfehlungen